Profibergsteiger David Göttler über Erfolg & Selbstüberschätzung

Profibergsteiger David Göttler über Erfolg & Selbstüberschätzung

Julia: Wir starten immer mit einer ganz leichten Frage - wer bist du und was machst du?

Ich bin David Göttler, bin ursprünglich aus München und mittlerweile eigentlich in der ganzen Welt zuhause. Nach München ist mein zweites Zuhause Nordspanien, das dritte ist Chamonix in Frankreich und das vierte, würde ich sagen, Nepal und der Himalaya.

Nach meinem Abitur habe ich die Ausbildung zum staatlich geprüften Berg- und Skiführer gemacht und bin dadurch irgendwie langsam zum Expeditionsbergsteigen gekommen und da bin ich heute immer noch zuhause. Das Expeditionsbergsteigen ist auch die „Spielform“, die mir als Bergsteiger am besten gefällt und die ich mittlerweile seit vielen Jahren mache.

 

Julia: Das heißt, du hast dein ganzes Leben schon gewusst, dass du professionell Bergsteigen willst?

Nein, das habe ich nicht mein ganzes Leben lang gewusst. Ich habe auch den Beruf des Bergführers lange gar nicht gekannt. Mit sieben Jahren habe ich mit dem Bergsteigen angefangen, anfangs mit meinem Vater und dann irgendwann selbst. Ich war dann in diesem Nachwuchscamp vom Alpenverein, dem sogenannten Expeditionskader, und dort habe ich zum ersten Mal den Beruf Bergführer kennengelernt. Da habe ich mir dann gedacht, dass mir das mehr Spaß machen würde, anstatt mich nach dem Abitur jetzt in die Uni zu setzen.

Ich habe dann hauptberuflich als Bergführer gearbeitet und das wirklich genossen. Ich war das ganze Jahr über als Bergführer bei uns in den Alpen unterwegs, aber habe da auch schon zeitgleich mit diesem Expeditionskader angefangen, um die Berge der Welt kennenzulernen. Ich bin dann häufiger auf Expedition gefahren, erst nach Patagonien, dann nach Indien, und später nach Nepal und Pakistan. Da hat sich dann langsam dieses Profi-Bergsteigen entwickelt, und ich kann mit 42 Jahren jetzt gut davon leben und muss im Moment nicht viel führen. Ich mache das trotzdem immer noch manchmal, weil es mir unglaublich viel Spaß macht.

 

Julia: Wie hättest du als Schüler gedacht, dass dein Berufsleben aussehen wird? Welchen Beruf hättest du sonst ausgeübt?

Es ist ein natürlich ein Studium im Raum gestanden, da hätte mich Mathe und Physik interessiert. Ich habe aber gewusst, dass das ganz schön hart ist. Ich war dann wirklich glücklich, die „Bergführerei“ entdeckt zu haben.

Ich wurde auch oft gefragt, was denn mein wirklicher Job neben dem Bergführen sei. Aber für mich hat das gereicht, und es ist ja auch ein wahnsinnig anspruchsvoller Beruf.

 

Julia: Würdest du sagen, dass du schon immer eine abenteuerliche Person warst? War es klar, dass es irgendwann einmal weiter und höher in die Berge hinaus geht?

Ja, ich glaube, ich habe das durch meine Eltern in die Wiege gelegt bekommen. Ich habe nie in einem Hotel übernachtet, bis ich in der 12. Klasse auf Deutschlandfahrt mit der Schule unterwegs war. Wir waren immer mit unserem „Reisemobil“ auf Urlaub - wir hatten einen ausgebauten Jeep - und sind damit beispielsweise in die Sahara oder nach Island gefahren und haben Abenteuerurlaub gemacht. Das hat mir immer unglaublich viel Spaß gemacht. Ich denke schon, dass mir das es erleichtert hat, in das Abenteuer Bergsteigen irgendwie reinzukommen. 

Ich habe sicherlich auch oft zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute getroffen. Das war unglaublich wichtig dafür, dass ich jetzt bin, wo ich bin. Außerdem habe ich es immer gewagt, in das Unbekannte zu gehen und so ein Leben wenigstens auszuprobieren. Viele Außenstehende finden das super, aber man muss es auch wirklich wagen und die Sicherheit aufgeben, also nicht zu studieren oder den normalen Beruf aufzugeben. Ich denke nicht, dass das für jeden etwas ist.

 

 

Julia: Das klingt, wie wenn ich anderen erzähle, wie es ist selbstständig zu sein (lacht).

Genau, so ungefähr. Ich möchte das für nichts eintauschen. Ich weiß aber auch, dass andere ohne diese Planungssicherheit unglaublichen Stress und Probleme hätten. Auch in der derzeitigen Corona-Situation ist das nicht so einfach mit dem Einkommen, wenn plötzlich nichts mehr stattfindet und ich nirgendwo angestellt bin. Solche Dinge sind dann halt auch schnell ein Abenteuer.

 

Julia: Welche Expedition war bisher dein größtes Abenteuer?

Es ist schwierig, eine Einzige auszuwählen. Jede Expedition hat einmalige Momente, die sich irgendwie festbrennen. Die ersten Highlights waren sicher mit der Gerlinde Kaltenbrunner, mit der ich am Anfang viel unterwegs war. Da hat es vom Team her super funktioniert und am Berg auch. In jüngster Zeit ist beispielsweise der Shishapangma ein Berg, der für mich sicher immer etwas Besonderes sein wird. Ich war da zweimal hintereinander an der Südwand. Das erste Mal mit dem Ueli Steck und dann beim zweiten Mal mit dem Hervé Barmasse.

 

Julia: Wie setzt sich das Bergsteigen für dich zusammen – ist das nur eine körperliche Tätigkeit oder braucht man auch das richtige Mindset, weil sich da viel im Kopf abspielt?

Je höher es raufgeht, desto mehr wird es zur Kopfsache. Das physische Training ist sicherlich wichtig, aber vom Kopf her wird es immer herausfordernder, wenn man ohne Sauerstoff in die Höhe geht. Beim Bergsteigen ist generell sicher der Kopf einer der wichtigsten „Muskeln“ in dem Sinne.

 

Julia: Was sind da die größten Herausforderungen im Kopf?

Das erste ist die Motivation dort oben. Man ist quasi ständig in einem Dialog mit sich selbst und motiviert sich für jeden einzelnen Schritt. Das zweite ist sicherlich das Risikomanagement, welches man dort oben betreiben muss, um nicht in eine gefährliche Situation zu kommen. Drittens gibt es sehr viele Faktoren, die man selbst nicht beeinflussen kann, beispielsweise das Wetter. Diese Faktoren entscheiden dennoch über Erfolg oder Misserfolg, wenn man das Erreichen des Gipfels als Erfolg sieht. Da muss man natürlich aufpassen, nicht zu viel Energie in etwas reinzustecken und einfach akzeptieren, dass man gewisse Dinge nicht ändern kann. Die Pandemie hat mich oft stark an mein Expeditionsdasein erinnert. Da konnte ich auf darauf zurückgreifen, die Situation einfach zu akzeptieren und nicht Energie zu verschwenden, weil man nicht alles so planen kann wie man möchte.

 

Julia: Wie definierst du eine erfolgreiche Expedition? 

„Erfolgreich“ bedeutet für mich, etwas dazugelernt zu haben, es zählt sicher nicht nur das Ankommen am Gipfel. Solange ich etwas lerne und der Prozess aktiv reflektiert und akzeptiert wird, also auch das Scheitern akzeptiert wird, dann ist das eine erfolgreiche Expedition oder dann ist es Erfolg. Heutzutage wird Scheitern generell leider nicht wirklich akzeptiert und das Wort hat einen negativen Beigeschmack. Aber das gehört einfach dazu, wenn wir uns – egal in welchem Feld – weiterentwickeln wollen. Wenn wir nie scheitern, dann sind wir nicht aus unserer Komfortzone draußen, dann entwickeln wir uns nicht weiter. Solange man reflektieren kann und daraus lernt, ist das unglaublich wichtig. Ich habe mehr gelernt und bin als Alpinist und Bergsteiger viel mehr gereift in Situationen, in denen ich „gescheitert“ bin. Wenn alles reibungslos funktioniert denke ich mir oft – wäre ich nicht vorher gescheitert und hätte dadurch so viel gelernt, würde ich jetzt nicht auf dem Gipfel stehen.

  

Julia: Hast du einmal einen guten Ratschlag oder Tipp bekommen von Leuten, mit denen du unterwegs warst - zum Beispiel von Gerlinde Kaltenbrunner - der dir in Erinnerung geblieben ist?

Es gibt da nicht einen speziellen Ratschlag. Aber mir hat es immer geholfen, dass wir als Team unglaublich offen und ehrlich miteinander umgegangen sind. Wir haben immer die Schwächen von den anderen akzeptiert und als Team aufgefangen, das war auch mit der Gerlinde super. Sie hat immer eine Wahnsinnsmotivation mitgebracht und hatte ein sehr positives Mindset. Da habe ich sicher auch etwas von ihr gelernt.

 

Julia: Hast du noch einen Tipp für unsere Leser, welche Eigenschaften in einem „Adventurebuddy“ vorteilhaft sind?

Es ist meiner Meinung nach ganz wichtig mit sich selbst ehrlich zu sein. Das ist sicher eine Grundvoraussetzung, um etwas lange und sicher zu machen. Leider überschätzten sich viele und in den Bergen hat eine Fehleinschätzung oft auch krasse Folgen. Ehrlichkeit ist da also ganz wichtig.

Heutzutage ist das Bergsteigen ja fast ein Modesport, was super ist, weil dadurch mehr Menschen in die Natur kommen und unterwegs sind. Dennoch ist es relativ schnell ein sehr ernsthafter Sport. Man muss auch geduldig sein und diese Grenze des Möglichen sozusagen immer nur ein kleines bisschen verschieben, um etwas lange und ohne Verletzungen machen zu können.

 

Julia: Bist du schon einmal selbst in die Falle der Selbstüberschätzung getappt?

Mit Sicherheit. Das ist auch menschlich, aber es ist dabei ganz wichtig, das dann auch zu realisieren. Etwas Glück gehört natürlich auch immer dazu. Es ist von jedem selbst abhängig, wie viel Risiko man akzeptieren möchte – und das lernt man nur durch Erfahrung. Bei meiner ersten Expedition war es wirklich utopisch, auf den Berg hochzukommen, aber ich habe dadurch meine Lektion gelernt. Ich musste noch etwas reifen und Erfahrungen sammeln. Diese Ehrlichkeit mit sich selbst zu finden ist da ganz wichtig.

 

Julia: Gibt es Augenblicke in deiner Bergsteigerkarriere, die du niemals vergessen wirst? 

Auf dem Gipfel eines Achttausenders zu stehen ist sicherlich immer ein unvergesslicher Moment. Einfach das Gefühl, da oben zu stehen. Wenn der Berg ein bisschen freistehender ist, dann hat man wirklich das Gefühl die Erdkrümmung zu sehen. Da ist man ist dem Himmel so nah, das ist wunderbar.

Vom Berg zurückzugehen und ins Basislager zu kommen zählt für mich auch als unvergesslicher Moment – ein Moment, in dem die gesamte Last von einem abfällt, weil man erst dort wieder Sicherheit hat und es geschafft hat. Viele Menschen vergessen oft, dass der Gipfel sozusagen nur das „halbe Rennen“ ist und man auch noch hinuntergehen muss.

 

 

Julia: Was steht noch auf deiner „To-Do-Liste“? Hast du in den nächsten Jahren noch etwas Großes vor, das du unbedingt machen möchtest?

Ich habe jetzt den Mount Everest schon zweimal probiert. Ich habe dort einmal 100 Meter unter dem Gipfel umgedreht. Ich möchte den Berg gerne ohne Sauerstoff und ohne Sherpa besteigen. Das zu schaffen ist ein großer Traum und das werde ich sicherlich noch einmal probieren. Von den Achttausendern gibt es noch drei oder vier, die ich gerne besteigen würde. Ich war bereits auf fünf der vierzehn Gipfeln, beim sechsten mussten wir 20 Meter unter dem Gipfel umkehren, weil es zu lawinengefährlich war.

Ich weiß ja, dass solche Berge oft mehrere Jahre in Anspruch nehmen, deshalb wäre es schön, wenn ich die noch schaffen würde. Das Schöne beim Bergsteigen ist ja, dass es fast unendlich viele Ziele gibt, also da wird mir sicherlich nie langweilig. Und es gibt Ziele für jeden, also alle verschiedenen Schwierigkeitsgrade. Jeder kann also seinen „Everest“ vor der eigenen Haustür finden.

 

Julia: Zum Abschluss noch: Hast du Tipps für Leute, die schon bergsteigen oder mit dem Bergsteigen beginnen? Irgendeinen Abenteuertipp - was macht das perfekte Abenteuer aus und was muss man beim Bergsteigen unbedingt beachten?

Das perfekte Abenteuer heißt für mich, sich aus seiner Komfortzone hinauszubegeben. Wenn man noch nie draußen übernachtet hat, dann kann man ja mit dem Schlafsack und der Isomatte zum nächsten See gehen und draußen übernachten, das kann ja schon ein riesiges Abenteuer für jemanden sein, der das zum ersten Mal macht. Jeder kann sich also etwas suchen, vor dem man noch Respekt hat und ein Kribbeln im Bauch verspürt.

 

Julia: Vielen Dank!


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